Liebes Grundgesetz, herzlich Glückwunsch zum 75. Geburtstag! Ich freue mich, dass Du seit Deinem Bestehen Frieden, Freiheit und ein demokratisches Miteinander in unserem Land garantierst.
Ich habe Dich mit 12 Jahren in der Schule kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt warst Du in meiner Heimatstadt Zittau noch zu Gast. Wir haben Dich im Geschichtsunterricht kritisch beäugt und interessiert durchgeblättert. Druckfrisch als kleines Büchlein von der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich hätte in dem Schuljahr eigentlich mit Staatsbürgerkunde beginnen sollen. Irgendwie war uns am Anfang des Jahres 1990 aber der Stabü-Lehrer abhanden gekommen. Politisiert waren wir in unserer Klasse fast alle. Wir waren im Herbst ’89 mit unseren Eltern zu Demos auf dem Zittauer Marktlatz, haben in der Johanniskirche gemeinsam »Dona nobis pacem« gesungen und uns gewünscht, unsere Meinung ohne Angst vortragen zu dürfen. Wir haben uns deshalb auf Dich gefreut und Dich am 3. Oktober herzlich bei uns aufgenommen. Und wir geben Dich nicht wieder her!
Damals gab es die Diskussion, ob es der richtige Zeitpunkt ist, dass sich das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung eine Verfassung gibt. Vielleicht wären damit ein paar Gedanken und Wünsche aus der DDR-Bürgerbewegung mit eingeflossen. Vielleicht hätte man sich aber nur länger gestritten und die Wiedervereinigung hinausgezögert. Ich weiß es nicht und es ist heute aus meiner Sicht auch nicht mehr nötig, über vermeintlich verpasste Chancen zu klagen. Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass Modernisierungen und Änderungen auch so möglich sind. Inzwischen gibt es leider wieder Stimmen, die die Werte des Grundgesetzes negieren und mit Füßen treten. Ich hoffe, dass es gelingt, Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht zu stärken und zu schützen, bevor es durch einfache Gesetzesänderungen wesentlicher Funktionen beraubt wird.
Lasst uns alle miteinander wachsam sein und die demokratischen Werte hegen und pflegen – unsere Freiheit, unser Wohlstand und unser friedliches Miteinander mit unseren europäischen Nachbarn sind keine Selbstverständlichkeit!
Mit herzlichen Grüßen vom CDU-Gemeindeverband am Kottmar,
Matthias Reuter